Struktur- und Funktionsmodell
zur Beschreibung intrapsychischer und zwischenmenschlicher Prozesse

Um das psychische Zusammenspiel von inneren Erfahrungen und äusseren Verhaltensweisen zu verstehen wird in der Transaktionsanalyse sowohl das Struktur- als auch das Funktionsmodell verwendet. Der nachfolgende Text zeigt auf, wie sie uns helfen, die komplexen Wechselwirkungen zwischen innerer Welt und äusserem Verhalten besser zu verstehen.

In den mehr als 60 Jahren, seit Eric Berne 1961 zum ersten Mal sein Modell der strukturellen Ich-Zustände (Strukturmodell) beschrieben hat, wurden immer wieder Überarbeitungen und Erweiterungen des Modells verfasst. Hinzu kam eine weitere Differenzierung zwischen Strukturmodell und Funktionsmodell, die von Berne damals so nicht vorgenommen worden war. Im Folgenden werden beide Modelle näher beschrieben, um deutlich zu machen, wo ihre Unterscheidung liegt: Während die funktionale Analyse (Funktionsmodell) das Funktionieren der Ich-Zustände von Aussen sichtbar macht, betrifft die Strukturanalyse den Inhalt der Ich-Zustände.

Strukturmodell – unsere innere Struktur

Um ursprünglich Transaktionen und psychologische Spiele analysieren zu können, entwickelte Berne damals das Modell der Ich-Zustände. Es diente ihm der Darstellung der intrapsychischen Struktur eines Menschen und wird auch heute noch dafür verwendet. Dabei geht es bei der Verwendung des Strukturmodells um Inhalte, darum, wie wir und von wem wir innerlich geprägt wurden. Was haben wir selbst erlebt (Kind-Ich-Zustand, von Berne auch als Neopsyche bezeichnet)? Was haben wir von aussen übernommen (Eltern-Ich-Zustand, Exteropsyche)?

Differenziert wird im Strukturmodell zwischen erster, zweiter und dritter Ordnung, wobei auf die letzten beiden aufgrund ihrer Komplexität und dem Rahmen des vorliegenden Textes nicht weiter eingegangen wird. Strukturmodell erster Ordnung: Hier werden Eltern- (EL), Erwachsenen- (ER) und Kind (K)-Ich-Zustand ohne weitere Unterteilung unterschieden. Berne beschreibt das Eltern-Ich als Zustand, in dem der Mensch fühlt, denkt und handelt, spricht und reagiert, wie es seine Eltern getan haben, als er noch klein war. Im Erwachsenen-Ich Zustand schätzt er seine Umwelt objektiv ab und berechnet seine Möglichkeiten aufgrund bisher gemachter Erfahrungen (vgl. Berne, 2016, S. 26). Im Kind-Ich Zustand lebt nach Berne noch der kleine Junge oder das kleine Mädchen, das der Mensch einst war. Das Alter könne verschieden sein, sei aber kaum älter als sechs, nach Steiner sieben Jahre alt und umfasst alle wegweisenden Skriptinhalte (vgl. Schlegel, 2020, S. 164). Bei aktiviertem Kind-Ich erlebt der Mensch sich wie das Kind, das er einmal war. Ebenso ist ein aktivierter Eltern-Ich-Zustand eine Wiederholung von Gefühlen, Verhalten, Einstellungen etc. die der Mensch bei seinen Eltern erlebt hat. Demzufolge sind Kind-Ich- und Eltern-Ich-Zustände Wiederholungen aus der Vergangenheit. Hier ist hinzuzufügen, wie Rath treffend beschreibt, dass sich die Psyche mit den Subsystemen der drei Ich-Zustände als «lebendes, sich selbst-organisierendes System» prozessual in Schritten von Bindung, Differenzierung und Integration entwickelt. «Die Selbstorganisation bedeutet, dass Struktur und Funktion des Systems nicht nur von der Umwelt aufgezwungen werden, sondern durch das System selbst mitbestimmt sind». Für die Ich-Zustände als Subsysteme der Psyche bedeutet es, dass sie im Wechselspiel zwischen differenzierenden und integrativen Tendenzen mit der Umwelt entstehen und somit eine kreative Eigenleistung des Menschen bedeuten. So sind «Entscheidungen» in der frühen Kindheit (im K zu finden), auch wenn sie unter Druck der Umwelt getroffen werden, relativ freie (autonome) Entscheidungen des Kindes (vgl. Rath, 1992, S. 97-100).

Im Laufe seiner Schriften nahm Berne selbst verschiedene Änderungen in der Art und Weise vor, wie er Ich-Zustände, ihre Struktur und die Art, wie sie sich manifestieren, beschrieb. Einige Schlüsselpunkte blieben jedoch konstant. Mary Cox fasst diese wie folgt zusammen (vgl. Cox, 1999, S. 49):

  1. Elterliche Ich-Zustände sind Repräsentationen von realen anderen Menschen (=Introjekte).
  2. Der Erwachsenen-Ich-Zustand wird für den objektiven Umgang mit der gegenwärtigen Realität verwendet.
  3. Kindliche Ich-Zustände sind Relikte früherer Erfahrungen (in der Regel der Kindheit), d. h. vergangenheitsbezogen und von der Person selbst erlebt.
  4. Die Diagnose von Ich-Zuständen hängt von einer Kombination aus Verhaltens- und Sozialbeobachtung durch die Therapeutin / den Berater ab, zusammen mit historischen Angaben der Klientin / des Klienten (Verhaltensdiagnose, soziale Diagnose, historische Diagnose und phänomenologische Diagnose).

Funktionsmodell – unser Ausdruck

Das funktionale Modell (Funktionsmodell) ist ein Modell zur Klassifizierung beobachtbarer Phänomene im zwischenmenschlichen Bereich und bezieht sich entsprechend lediglich auf das Verhalten einer Person.

Möchte man die zwischenmenschliche Kommunikation verstehen, analysieren und verändern, eignet sich dazu das Funktionsmodell. Im Gegensatz zum Strukturmodell, dessen Inhalt die Ich-Zustände bilden, spricht die Autorin in diesem Modell nicht von Zuständen, da ein Zustand das Denken, Fühlen und Verhalten umfasst und das Funktionsmodell lediglich das Verhalten beschreibt. Der Fokus liegt auf dem Beobachten des Verhaltens, der mittels des Funktionsmodells klassifiziert wird («jemand verhält sich wie eine elterliche Person»). Dementsprechend ist das Funktionsmodell ein Ausdrucksmodell: Die Betonung liegt auf dem äusseren sozialen Verhalten und nicht in intrapsychischen Strukturen, die Gegenstand der Strukturanalyse sind. Beobachte ich beispielsweise einen Jugendlichen, der einschüchternd auf andere wirkt, entspricht dies dem oder könnte es sich um das kritische Eltern-Ich (Funktionsmodell) handeln. Es kann aber sein, dass sich der Jugendliche innerlich, wie als er fünfjährig war, klein und verängstigt fühlt (Strukturmodell). So kann man vom beobachtbaren Verhalten (Ausdruck) nicht davon ausgehen, dass dies effektiv seinem inneren Empfinden (Struktur) entspricht.

Da Berne zu seiner Zeit in der Wahl der Ausdrücke wertend war (kritisches Eltern-Ich, freies Kind-Ich), stimme ich mit Cornell et al. mit der Verwendung neutraler Beschreibung wie strukturierendes Eltern-Ich überein. Jeder Ausdruck hat einen positiven und einen negativen Modus, ein zu viel des Guten (bspw. zu viel Fürsorge) kann als bevormundend, ein zu viel des natürlichen Kindes kann als rücksichtslos empfunden werden.

Unterschieden wird zwischen folgenden funktionalen Ausdrücken (vgl. Cornell et al., 2018, S. 5):

Nährendes Eltern-Ich (analog schützendes Eltern-Ich):

  •  positiver Modus: fürsorglich, unterstützend, verständnisvoll.
  • Negativer Modus: bevormundend, erdrückend, zu nachsichtig.

Strukturierendes Eltern-Ich (analog kritisches Eltern-Ich):

  • positiver Modus: nützliche Strukturen und Grenzen, machtvoll.
  • Negativer Modus: dominant, herrisch, strafend.

Erwachsenen-Ich: denkt und handelt logisch

Natürliches Kind-Ich (analog freies Kind-Ich):

  • positiver Modus: spontan, authentisch, temperamentvoll und/oder neugierig.
  • Negativer Modus: egozentrisch, rücksichtslos, grenzenlos.

Angepasstes Kind-Ich:

  • positiver Modus: kooperativ, gehorsam und freundlich.

Negativer Modus: unterwürfig, rebellisch, klagend und/oder überangepasst.

Abschliessend kann festgehalten werden, dass das Struktur- und das Funktionsmodell der Transaktionsanalyse zwei unterschiedliche, sich aber ergänzende Perspektiven auf intrapsychische und zwischenmenschliche Prozesse bieten. Während das Strukturmodell den Fokus auf die inneren Inhalte und Prägungen legt, beschreibt das Funktionsmodell das von aussen beobachtbare Verhalten. Besonders in der Kommunikationsanalyse findet das Funktionsmodell häufig Anwendung: Es hilft dabei, Transaktionen zu verstehen und gezielt so zu gestalten, dass gelingende Kommunikation im Hier und Jetzt möglich wird.

Diese klare Trennung der beiden Modelle ermöglicht eine differenzierte Analyse, bei der das innere Erleben eines Menschen nicht mit seinem äusseren Ausdruck gleichgesetzt wird, sondern beide Ebenen miteinander in Beziehung gesetzt werden können.

Literatur:

  • Berne, E. (2016). Was sagen Sie, nachdem Sie "Guten Tag" gesagt haben? - Psychologie des menschlichen Verhaltens. Frankfurt am Main: Fischer Verlag.
  • Cornell, W., Graaf A., Newton, T. & Thunnissen, M. (2018): Into TA. A comprehensive Textbook on Transactional Analysis. New York: Routledge.
  • Cox, M. (1999): The Relationship between Ego State Structure and Function: A Diagrammatic Formulation. In: Transactional Analysis Journal, Volume 29, Issue 1, S. 49-58.
  • Rath, I. (1992): Ansätze zur Entwicklung einer stimmigen Theorienlandkarte der Transaktionsanalyse: Wissenschaftstheoretische Überlegungen zu den Grundlagen der Transaktionsanalyse. Zeitschrift für Transaktionsanalyse, Heft 3, S. 90-120.
  • Schlegel, L. (2020): Die Transaktionale Analyse. Bozen: Printeam.74

  • Schlegel, L. (2022): Handwörterbuch Transaktionale Analyse. Bozen: Printeam.

Verfasst von Eleonora Savides Kursleiterin TA Schweiz